Gastronomie & Logistik

Bernd Pressler

„Ahhh, endlich mal eine halbe Stunde sitzen“ lacht Bernd, der sonst den ganzen Tag „durch die Halle eiert“, als er sich zum Gespräch einfindet. Leichte Verspätung hat er wegen eines Spezialauftrages („Ich habe gerade noch einen Spieler am Flughafen in Frankfurt abgeholt“). Jetzt nimmt er sich allerdings Zeit, um uns seine Geschichte, vor allem mit den Kassel Huskies, zu erzählen. Bernd wurde 1960 in Kassel geboren und wuchs in unserer schönen Stadt auf. Nach der Schule schloss er eine Lehre zum Speditionskaufmann ab. Es folgte die Zeit bei der Bundeswehr in Fritzlar. „Und in Kanada. Da war ich mehrere Monate stationiert. Das hat mir sehr gut gefallen. Leider gab es keine 100-prozentige Sicherheit, weiter in Ontario stationiert zu bleiben. Deswegen entschied ich mich gegen eine erneute Weiterverpflichtung.“ Bernd arbeitete dann knapp 30 Jahre in seinem Beruf als Speditionskaufmann. Im engen Kontakt zum Kasseler Eishockeysport stand er buchstäblich vom ersten Moment an. „Eines Tages bin ich als Jugendlicher am Standort der heutigen Eissporthalle vorbeigefahren und habe mich gefragt, warum da so viele Leute versammelt waren“ erzählt der 63-jährige. „Wie sich herausstellte, handelte es sich dabei um die Grundsteinlegung der Eissporthalle. Von dem Moment an, war ich sehr an der Entwicklung interessiert und besuchte dann auch die Spiele vom ersten Tage an.“ Seine Lieblingsspieler sind bis heute Peter Roedger und Tim Schnobrich.

Bernd war von Anfang an im engen Kontakt mit Spielern und Verantwortlichen. „Es haben sich sehr gute Freundschaften mit Menschen wie Shane Tarves und Matthias Kolodziejczak  entwickelt. „Mit Kollo habe ich sechs Jahre zusammengewohnt. Ralf Hartfuß, Jason Meyer, Peter Roedger… Sie gehören alle zu meinen guten Freunden. Sämtliche Spieler aufzuzählen, würde den Umfang sprengen. Mitte der 80er Jahre war ich komplett integriert und bin beispielsweise mit in den Mannschaftsurlaub gefahren. Das hat alles viel Spaß gemacht.“ Jap, klingt auch sehr interessant. Da blieb bestimmt kein Auge trocken, oder? „Nicht wirklich“ grinst der Kasseläner. „Da waren in schöner Regelmäßigkeit 20 Jungs gemeinsam auf Achse. Wir waren in Mexiko, Brasilien, der Dominikanischen Republik. Und haben es ordentlich krachen lassen. Wenn die jungen Spieler heutzutage von ihren Feten berichten, denke ich immer nur so: süß, das haben wir damals vor dem Frühstück gemacht.“ Schallendes Gelächter. Es sei aber auch einfach eine andere Zeit gewesen. „Der Sport und das Umfeld haben sich naturgemäß verändert. Heute ist das Spiel intensiver und die Akteure müssen ganz andere Voraussetzungen mitbringen, die Haltung zum Sport ist eine andere, alles wurde stetig professionalisiert.“ Bernd zählt viele ehemalige Akteure bis heute zu seinem Freundeskreis. „Viele Spieler halten ohnehin den Kontakt zum Verein, haben sich in Kassel offensichtlich wohlgefühlt. Nicht wenige sind auch nach der Karriere in der Stadt oder Region geblieben. Wir pflegen dieses Verhältnis sehr bewusst. Einmal im Jahr treffen wir uns zu einem Grillfest und laden die alten Haudegen ein. Da herrscht immer großer Zuspruch.“ Ein anderes Ritual ist der wöchentliche Stammtisch. „Da stoßen über die Jahre auch immer wieder „neue“ Ex-Spieler dazu, die sich weiter für die Huskies interessieren und engagieren.“ An diesem Stammtisch wurde auch schon Kasseler Eishockeygeschichte mitgeschrieben, wie wir im Verlauf des Gespräches noch erfahren werden.

Bernd hat in seiner Zeit beim Kasseler Eishockey alle Höhen und Tiefen miterlebt. Auf einschneidende Erlebnisse angesprochen, erinnert er sich zuerst an die Saison 2001/2002. „Der Verein musste die Insolvenz anmelden und von heute auf morgen ging alles den Bach runter. Wir haben uns gesagt, dass es nicht sein kann, dass die Kinder aus den Ferien kommen und keinen Verein mehr haben.“ „Wir“? „Ein Stammtisch ehemaliger Spieler und Verantwortlicher, der bis heute existiert. Dort haben wir gemeinsam beschlossen zu handeln und einen Notfallplan entwickelt.“ Die Aufgaben waren schnell verteilt. Bernd rannte wochenlang zu verschiedenen Ämtern und Ansprechpartnern. „Es war ein ganz schöner bürokratischer Aufriss, in so einer kurzen Zeit, einen neuen Verein zu gründen. Aber es hat bekanntermaßen hingehauen. Seitdem heißen wir EJK.“ Mitstreiter dieser ehrenhaften Rettungsaktion, ohne die es den Verein in dieser Form heute sicherlich nicht geben würde, waren unter anderem Milan Mokros, Matthias Kolodziejczak und Daniel Lammel. „Es war ein Teamerfolg.“ Bernd leitete dann die Geschicke der EJK für zwei Jahre als Vorstandsvorsitzender, strukturierte mit seinem Team die Jugendarbeit neu und war mit dafür verantwortlich, dass die Kasseler Jugendabteilung nicht nur überlebte, sondern heute als EJK auf einer gesunden Basis steht.

Ebenso bedeutsam in Bernds langer Geschichte mit den Huskies, bleibt ihm die Saison 2010/2011 in Erinnerung. Das Trainingslager zur DEL-Saisonvorbereitung lief bereits, da wurde der Mannschaft die Erstliga-Lizenz verwehrt und „wieder war alles vor die Wand gefahren. Wir waren bereit, für den Erhalt des Clubs alles zu geben. Allerdings waren wir uns ziemlich sicher, dass die Zuschauer nach dieser nächsten Katastrophe vom Eishockey in Kassel die Schnauze voll haben. Wir sollten uns glücklicherweise irren. Und wie!“ Binnen zwei Wochen wurde die 1B der Huskies zur ersten Mannschaft befördert und mit ehemaligen erfahrenen Größen des Kasseler Eishockeys verstärkt. Als der erste Spieltag in der Hessenliga anstand, fanden bekanntermaßen über 6000 Fans den Weg in den Zwinger und bekundeten ihre ungebrochene Solidarität mit den Schlittenhunden. „Wir standen im Kabinengang, ich als Betreuer, und hatten vor Rührung Tränen in den Augen.“ So wurde aus der Schreckenssaison die Hoffnungssaison. Mit einem unglaublichen Schnitt von über 5000 Fans pro Spiel belegten die Kasseler ihre Treue und „tief verwurzelte Liebe“ zum Verein und dem Eishockeysport in der Region. „Die Atmosphäre in der Kabine war sensationell. Wir waren eine Familie. Obwohl nur einmal pro Woche Training, und alle zwei Wochen ein Spiel anstanden, waren nahezu alle Spieler täglich zusammen in der Halle. Auch die Außenwirkung eines Teams, welches aus der Eliteliga in die Hessenliga rutscht, aber deren Fans „jetzt erst recht“ mobil machen, war der Wahnsinn. Durch überregionale Medien wie RTL oder die Bild-Zeitung wurde über die phänomenale Loyalität der Kasseler Fans berichtet. Derartiges hatte man im deutschen Profisport selten gesehen“ erzählt Bernd stolz.

Über 10 Jahre lenkte Bernd, als Mannschaftsleiter und Betreuer der 89ers, die Geschicke der Kasseler 1B-Mannschaft. „Bereits in dieser Zeit, habe ich Paul Sinizin kennen- und schätzen gelernt.“ Der neue Chef der Huskies bot ihm im vergangenen Jahr eine Vollzeitbeschäftigung bei seinem Herzensverein an. Man benötigte Unterstützung im Bereich der Logistik und Gastronomie. „Paul und ich hatten stets ein sehr gutes Verhältnis. Ich habe mich gefreut, dass man offensichtlich auf meine Erfahrung und mein Mitwirken Wert legt und dankend zugesagt.“ Bernd ist ein großer Befürworter des Projektes „Multifunktionsarena“. „Wir möchten eine topmoderne Mehrzweckhalle und Spielstätte entwickeln. Auch ich möchte die, auch aus meiner Sicht, große Notwendigkeit einer zweiten Eisfläche betonen. Damit steht und fällt alles, was wir uns hier ausgedacht haben, um unseren Sport und den Standort komplett zukunftssicher zu machen.“ Und das ist eine Menge. „Ich freue mich, dass trotz der zwingend notwendigen optischen und technischen Modernisierungen, der Flair des alten Zwingers erhalten wurde. Die Atmosphäre, die hier bei Heimspielen herrscht, bekommst du in einer neuen Halle nicht hin. Ich laufe oft durch die Halle und denke an die alten Zeiten, habe dann Spieler vergangener Tage vor Augen und freue mich, dass wir die Halle nicht nur erhalten, sondern auf ein neues Level heben konnten.“ Versprechungen dahingehend, habe er im Laufe der Jahrzehnte zuhauf gehört. „Und nix ist passiert. Bis Paul kam und das ganze ernsthaft in die Hand genommen hat. Ihm gehört mein großer Respekt.“ Der bodenständige Kasseläner gerät mit Blick auf die „neue“ Halle ins Schwärmen. „Man kann gar nicht in Worte fassen, was hier zurzeit passiert, es ist einfach irre.“ Dass die vielfältigen positiven Auswirkungen der Modernisierung, sich auch den Leuten außerhalb der Eishockey-Community, in den kommenden Monaten zeigen werden, stimmt Bernd zusätzlich optimistisch. Er freut sich auf Konzerte, Veranstaltungen und natürlich die neue DEL2-Saison. „Wir haben hier seitens der Halle und Organisation eine der besten Grundsubstanzen in Deutschland. Ein Team in der Geschäftsstelle, dass diesen Namen auch verdient und mit Herzblut am gemeinsamen Erfolg arbeite.“ Er begrüße die Wertschätzung und den respektvollen Umgang untereinander, ebenso die unterschiedlichen menschlichen und beruflichen Hintergründe. „Eine sehr interessante Teamstruktur aus Menschen mit unterschiedlichen Perspektiven und Herangehensweisen, welche gemeinsame Ziele verfolgen. Hier passt alles.“

Auch das ehemalige Spieler, die „übrigens allesamt aus der Sportschule Mokros“ stammen, als Mitarbeiter in der Geschäftsstelle angestellt sind, fördere die Identifikation mit dem Standort und werde auch von der Mannschaft als angenehm empfunden. Man helfe sich mittlerweile im gesamten Verein gegenseitig aus und unterstütze Projekte bereichsübergreifend. Bernd ist dabei stets Ansprechpartner Nummer eins, wenn es um „Beschaffungslogistik“ geht. Auf persönliche Wünsche in Bezug auf die Huskies und seine Arbeit angesprochen entgegnet Bernd: „Die ohnehin gute Zusammenarbeit zwischen allen Bereichen soll sich noch weiter intensivieren. Besonders wichtig ist mir, dass die gute Kooperation zwischen unserer Eishockeyjugend und dem Profiteam weiter vorangetrieben wird.“

Die „derzeit in jedem Bereich positive Entwicklung“ werde auch von außen wahrgenommen. „Das spüre ich in den Gesprächen mit unseren Gästen. Ehemalige Partner der Huskies wenden sich dem Verein wieder zu, es gibt neue Interessenten.“ Das sich die Aufbruchstimmung auch auf die Unterstützer: innen ausweitet freut Bernd sehr. „Ich freue mich einfach, dass alle diesen Weg mitgehen. Mit Sicherheit wird es auch mal zu Unannehmlichkeiten kommen. So ist das, wenn man mitten im Umbau und einer Umstrukturierung steckt“ ergänzt der erfahrene Mann. „Ich hoffe, dass niemand traurig oder sauer ist, wenn zu Saisonbeginn mal etwas nicht 100-prozentig richtig läuft. Wir arbeiten an Optimierungen in sämtlichen Bereichen.“

Nicht alles ist perfekt planbar, „das wissen wir Sportfans nur zu gut.“ Und spannt den Bogen zur vergangenen Saison und dem aktuellen Kader. „Ich glaube an den Aufstieg in dieser Saison. Der ohnehin starke Kader wurde punktuell verstärkt, wir haben Spieler geholt, die den Unterschied machen können. Es wurde meiner Meinung nach an den richtigen Stellschrauben gedreht.“ Dazu schätze er die Arbeit von Cheftrainer Bo Subr sehr. „Ein angenehmer Mensch mit einem sehr guten Zugang zur Mannschaft. Er ist meiner Meinung nach der beste Trainer der vergangenen 15-20 Jahre hier in Kassel.“ Dennoch sei der Erfolg nicht garantiert. „Das meiste passiert dann doch im Kopf, kleine Nuancen können in Spielen oder Serien den Unterschied machen. So ist es überall im Sport: Warum ist Dortmund nicht Meister geworden, wieso spielt die deutsche Fußballnationalmannschaft auf einmal so sch…lecht, was war gegen Bad Nauheim los, „woran hat et jelegen?“ “ lacht er.

Seine jetzige Aufgabe bei den Huskies bereite ihm viel Freude. Er ist an den Spieltagen und zukünftigen Veranstaltungen, gemeinsam mit Michi Christ, für die Koordination der Mitarbeiter: innen und Arbeitsabläufe an den Kiosken zuständig. Dazu ermittelt Bernd für sämtliche Events den Bedarf an Getränken, bestellt und verteilt diese dementsprechend. „Wenn das Spiel um 19:30 Uhr beginnt, bin ich ab ca. 14:00 Uhr in der Halle mit Vorbereitungen beschäftigt. Feierabend mache ich, wenn der letzte Gast gegangen ist, meistens so gegen 0:00 Uhr. Dann schickets auch, ich werde schließlich auch nicht jünger“ sagt er augenrollend, aber mit einem Lächeln. Neben den logistischen Aufgaben, für die Bernd am Spieltag „ordentlich Kilometer schrubbt“, dient er als Ansprechpartner für unsere Kund: innen und hat stets ein offenes Ohr für Vorschläge, Kritik und den obligatorischen Hockey-Plausch in der Drittelpause oder nach dem Spiel. Die meisten Zuschauer: innen kennen Bernd, er ist eine große Konstante in der über 45-jährigen Vereinsgeschichte. Ab 2011 fungierte Bernd für ein Jahr als Leiter der Eissporthalle. „Mit dem Arbeitsaufwand von heute war das allerdings kaum zu vergleichen. Wir haben mit zwei Leuten die Geschäftsstelle besetzt und den täglichen Ablauf koordiniert.“ Über all die Jahre und in den verschiedenen Funktionen hat Bernd viele nachhaltige Kontakte mit Fans und Sponsoren geknüpft. Über die treuen Anhänger: innen der Huskies ist er voll des Lobes. Dieses Lob bekommt der hünenhafte Nordhesse in seiner Arbeit häufig zurück. Er ist ein zuverlässiger, offener und humorvoller Kollege mit dem (blau-weißen) Herz am rechten Fleck und ein Freund klarer Worte. Er gehört zu den Huskies und die Huskies gehören zu Bernd.

In der Freizeit pflegt Bernd seine Freundschaften. „Die sind mir sehr wichtig.“ Er überlegt und wird kurz nachdenklich. „Es klingt komisch, aber ich versuche auch einfach meine Lebenserfahrung weiterzugeben. Hab‘ schon viel gesehen und mache mir, jetzt wo ich älter werde, über Sinn und Zweck hinter den Dingen so meine Gedanken.“ Wir fragen Bernd, ob er uns heute eventuell auch etwas mitgeben kann. „Die schönen Momente, auch die alltäglichen, scheinbar kleinen Situationen, bewusst zu genießen. Darauf lege ich mittlerweile gesteigerten Wert.“

 

Steckbrief

Name: Bernd Pressler

Alter: 63

Ich bin Husky seit: 1977

Meine Rolle im Rudel: Gastronomie und Logistik

Am Spieltag befinde ich mich auf folgender Position: Kreuz und quer durch die Halle, an den Kiosken

Meine Nebenleute sind: Sämtliche Mitarbeiter: innen, vor allem in der Gastronomie

Das erste Eishockeyspiel, das ich gesehen habe: Ein ESG-Spiel 1977

Mein tollstes Huskies-Erlebnis: Die Hessenliga-Saison als Mannschaftsbetreuer 2010/2011

Meine Lieblingsspieler: Peter Roedger und Tim Schnobrich

Für die kommende Saison wünsche ich mir: Dass die ohnehin gute Zusammenarbeit innerhalb des Vereines auf allen Ebenen weiter gepflegt und ausgebaut wird, eine weitere Verzahnung von EJK und Huskies

Wenn ich nicht mit den Huskies beschäftigt bin: Versuche ich Freundschaften zu pflegen und zur Ruhe zu kommen

Mein Lieblingsort in Kassel: Der Bergpark