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Zum Nachlesen: Nachgehakt bei Andrew Bodnarchuk

Hier gibt es das gesamte Interview von unserem SDTV-Kommentator Stefan Gerhold mit Andrew Bodnarchuk auf Deutsch zum Nachlesen. Das auf Englisch geführte Interview steht auch auf YouTube zur Verfügung.

 

-Hi Andrew, wie geht es dir aktuell?

-Sehr gut, wirklich gut.

-Freut mich zu hören. Danke für deine Zeit, ich würde gerne allen kurz deine Situation erklären: Andrew kann aktuell nicht spielen, weil er im Einbürgerungsprozess ist und nach bestandener Sprachprüfung auf seinen Pass wartet und deswegen jetzt etwas von Tag zu Tag in der Luft hängt. Gibt es Informationen über die Entwicklung, was weißt du?

-Um ehrlich zu sein, ich habe alle erforderlichen Tests bestanden und sämtliche Papiere eingereicht. Es liegt jetzt nicht mehr in meiner Hand. Vieles unterliegt nicht meiner Kontrolle. Es dauert etwas länger, als ich erwartet hatte, aber ich bin einfach vorbereitet zu spielen, wenn es so weit ist und ich bin optimistisch, dass sich alles bald zum Guten fügen wird.

-Das dürfte das erste Mal in deiner Karriere sein, dass du etwas „außen vor“ bist. Du kannst dem Team aktuell nicht auf dem Eis helfen, trainierst aber natürlich mit ihnen und bist Teil der Huskies. Was springt, sozusagen, für dich dabei heraus? Wie gehst du mit der Situation um?

-Es ist jede Menge drin für mich. Es ist immer noch mein Beruf, ich bin immer noch Teil des Teams. Und ich erwarte, noch ein wichtiger Teil dieser Mannschaft zu werden. Die Zeit, die ich aktuell habe, kann man auf zwei Arten nutzen, nämlich so, dass ich selbst und das Team davon profitieren, wenn ich zurückkomme. Oder es könnte eine Zeit sein, um sich rar zu machen und sich zu entspannen. Durch meine gesamte Karriere hatte ich das Glück, nicht zu viele schwere Verletzungen erleiden zu müssen, daher habe ich nicht viel verpasst. Ich habe in der NHL aber auch Zeiten erlebt, wo ich nicht immer fest im Aufgebot stand. Ich bin also damit vertraut, was es braucht, um meinen Körper und meinen Geist bereit zu halten und dabei weiter Teil der Gruppe zu sein. Heute ist wieder so ein Tag. Meine Frau freut sich, dass ich etwas mehr zuhause bin an den Spieltagen. Die Spiele zu schauen kann unterhaltsam sein, aber es wird auch zunehmend frustrierender mit jedem Spiel. Aber dann wiederum weiß ich auch, dass es noch eine lange Saison ist.

-Ich denke es ist gesund, immer beide Seiten zu betrachten. Du bist Vater eines jungen Kindes und kannst aktuell ein wenig mehr Quality-Time mit ihm verbringen, hast ein paar Stunden mehr dafür.

-Exakt, das genieße ich auch so gut ich kann, denn wenn „die Saison startet“ verliert man manchmal etwas von dieser Zeit. Für mich, auch wenn ich Teil der Mannschaft bin, fühlt es sich so an, als habe die Saison noch nicht begonnen, also kriege ich etwas mehr Zeit daheim. Unterm Strich ändert sich aber meine Stimmung, je nachdem wie das Team performt. Wenn die Mannschaft gut spielt und Erfolg hat, ist es natürlich angenehmer. Wenn das Team sich schwertut und die Stimmung unten ist, dann werde ich etwas bestrebter zurückzukehren.

-So nach dem Motto: „Ich kann ihnen nicht helfen“?

– Ja!

-Eine etwas persönlichere Frage: Markus Freis hat sich neulich bei einem Heimspiel verletzt. Ich habe dich zu ihm herunter in die Kabine gehen sehen, um nach ihm zu schauen. Ich denke du bist einer unserer Veteranen-Spieler und kümmerst dich um die jüngeren Mitspieler. Was hast du zu ihm gesagt? Wie war die Situation, wenn es nicht zu viel gefragt ist?

-Nein, nein. Ich weiß, wie es als Jungspund ist und bin der Älteste im Team, auch wenn ich mich noch nicht so fühle. Sobald ich gesehen habe, dass er angeschlagen war – ich wusste nicht, wie schlimm es ist – wollte ich sehen, wie es ihm geht. Ich hatte die gleiche Verletzung, die er bereits in der Vergangenheit erlitt. Ich konnte mir vorstellen und wusste irgendwie, was ihm passiert ist. Deswegen ging ich zu ich, um ihm moralisch zu unterstützen und ihm direkt zu sagen: „Hey Mann, es wird alles gut! Was immer es ist, jetzt gerade nervt es total. Nichts, was ich jetzt sage, macht es aktuell besser. Aber du musst wissen, dass ist nur ein kleines Problem ist und du stärker zurückkehrst. Du kannst jetzt stinkig sein, es wird aber wieder gut werden.“

-Das scheint Teil des Teamspirits zu sein, wenn man es von außen betrachtet. Es hat viele Veränderungen im Sommer gegeben. Von der Führungsebene bis zum Team. Es wurden Spieler ausgetauscht und natürlich neue Trainer verpflichtet. Damit scheint eine neue Philosophie einherzugehen, wenn man so sagen will. Empfindet das Team das auch so, was hat sich verändert im letzten halben Jahr? Du hast bisher eine sehr turbulente Saison hier in Kassel erlebt.

-Ja, ich meine, es hat so einige Überraschungen gegeben, Ups und Downs und Enttäuschung am Ende der letzten Saison. Jetzt gibt es frische Energie und die Jungs wollen die Vergangenheit Vergangenheit sein lassen. Wir hatten, mit Blick auf die Teambildung, ein richtig gutes Trainingslager, wo man die Jungs gut kenngelernt hat. Aber mehr als alles andere haben wir eine Gruppe, die immer weiter zusammenfindet. Wir haben einige Jungs, die neu in Europa sind und für die das europäische Spiel neu ist. Und das ist – ich will nicht sagen schwierig – aber anders. Ich habe es erlebt und erinnere mich, dass mein Spiel eben nicht sofort auf dem Level war, dass ich von mir selbst in Nordamerika erwartet habe, bevor ich hierherkam. Ich liebe unsere Jungs und mag die Gruppe, die wir haben. Wir müssen als Gruppe, als Familie zusammenhalten, und sicherstellen, dass manch einer, der denkt, er habe mehr Schwierigkeiten als es eigentlich tatsächlich der Fall ist, einen freien Kopf behält. Bei Valenti haben wir gesehen, wie es läuft – du schießt ein Tor und der Rest funktioniert dann einfacher. Man sieht es manchmal bei Spielern: Sie sind deswegen angespannter als die Jungs um sie herum und man möchte sie wissen lassen: Wir vertrauen auf dich, der Staff vertraut auf dich, also geh einfach da raus und vertrau dir selbst.

-Das scheint eben Teil dieser „neuen“ Philosophie zu sein. Letztes Jahr gab es viele Ups und Downs, wie du erwähntest, aber es gab auch eine Haltung, alles sofort reparieren zu müssen. Derek Dinger sagte, wir werden nicht mehr mit der „Brechstange“ vorgehen, wenn man so sagen will. Wir wollen den Jungs und der Organisation einfach mehr Vertrauen entgegenbringen, dass die Dinge sich finden. Das fühlt sich teamorientierter an.

-Ja, man sagt auf englisch „trust the process“ („Vertraue dem Prozess“). Und ich denke, dass es zum Großteil einen neuen Plan und eine neue Ausrichtung für dieses Team gibt. Ich denke, dabei geht es darum, diesem Prozess zu vertrauen. Wenn man das sagt, muss man die Eigenverantwortung der Spieler benennen, die dafür Sorge zu tragen haben, dass der Einsatz stimmt und vielleicht auch dieselben Fehler sich nicht stets wiederholen. Es ist ein Lernprozess, aber ab einem bestimmten Punkt, muss man es dann auch lernen. Es ist also nicht so, dass die Jungs eine unendlich lange Leine haben und dass es keine Konsequenzen gibt. Aber ich glaube die Idee ist: Hey, wir arbeiten zusammen auf dasselbe Ziel hin; wir versuchen etwas aufzubauen, dass auf das Ende des Jahres ausgerichtet ist. Und das ist die Haltung, die ich beim Team erlebe.

-Klingt wie die Handschrift unsere neuen Coaches, die ich sehr respektiere. Es scheint ein gutes (Arbeits-)Klima um sie zu herrschen. Ich glaube, Todd implementiert außerdem ein neues System auf dem Eis. Von außen sieht es ein klein wenig defensiver aus mit weniger Forechecking. Was hat sich am System geändert? Deine Kollegen erwähnten in Interviews bereits, dass es etwas Zeit braucht, um sich daran zu gewöhnen. Man kann damit nicht neu anfangen und direkt vom ersten Spiel punkten, als sei es kein Hindernis.

-Ja, ich denke, dass es für einige Spieler, die bisher noch nicht ein derartig detailliertes System gespielt haben, eine Umstellung bedeutet. Vielleicht waren sie es gewohnt, etwas lockerer, etwas freier agieren zu können. Und ich glaube – nein, ich weiß - wir arbeiten an einem System, dass mehr Konsistenz verspricht. Und wenn du ein einheitliches System und ein einheitliches Mindset in der Gruppe hast, wird man damit in der fortschreitenden Saison auch konstantere Resultate sehen. Und ich denke, das ist etwas, auf das wir abzielen. Am Ende des Tages haben wir die Klasse und die Spieler, Situationen zu übernehmen, wenn sie sich ergeben. Aber ich glaube, dass diese Konsistenz - vom Start bis zum Ziel, durch das gesamte Line-Up und über das jeweilige Spiel gesehen – von den Fans und uns mit Fortlaufen der Spielzeit erlebt wird.

-Du hast die neuen Jungs, die aus Kanada gekommen sind, erwähnt. Für Brandon Cutler zum Beispiel, ist es die erste Europa-Station. Wie erinnerst du deine ersten Spiele? Wie hast du die DEL wahrgenommen? Du hast abgefangen in München zu spielen. Ich glaube es ist dein 7. Jahr in Deutschland?

-Ja

-Wie hast du das Eishockey im Vergleich zu Nordamerika erlebt? Und was dachtest du über die Fan-Kultur?

-Es war großartig! Bevor ich nach Deutschland kam, habe ich mich mit einigen Optionen für einen Wechsel nach Europa auseinandergesetzt. Deutschland war attraktiv für mich, aber gleichzeitig auch etwas Neues, also wusste ich nicht so recht was ich zu erwarten hatte. Das Niveau des Eishockeys war... ich will nicht sagen viel höher, als ich erwartete, aber wirklich hoch. Und ich war wirklich überrascht von der DEL. Mein erstes Spiel war mit München in Berlin. Hohes Niveau in einer wunderschönen Arena und die Atmosphäre  war großartig. Es hat meiner Karriere einmal mehr etwas Leben eingehaucht. Selbst wenn viele der NHL-Arenen wunderschön sind, hast du dort nicht so eine Atmosphäre, wie sie hier durchgehend vorherrscht. Es ist aufregend und es macht Spaß. Es geht auch an die die Nerven im ersten Jahr. Du stellst bestimmte Erwartungen an dich. Dann ist es ein großer Lebensschritt und ein Karriereschritt und du wettest auf dich selbst, Erfolg zu haben und deine Chancen zu verbessern, am Ende mehr Geld zu verdienen und deine Karriere zu verlängern. Es gibt also Druck, den man sich auferlegt, gleichzeitig sollte man das Ganze aber auch genießen. Es ist so eine schöne Erfahrung! So ein cooler Ort und coole Arenen, in denen man spielt. Das muss man in sich aufnehmen.

-Du hast dich in Deutschland sehr gut akklimatisiert. Letzten Sommer seid ihr durch das Land gereist. Was magst du an Deutschland?

-Vom ersten Moment an, als ich rübergekommen bin, liebte ich Deutschland. Ich liebe die Kultur. Ich durfte die bayerische Kultur kennenlernen, mit dem Oktoberfest und allem Drum und Dran. Ich bin ein großer Naturfreund. Es ist einfach von Kassel aus, oder auch aus anderen Städten, eine 10-Minuten-Fahrt mit dem Auto zu machen und dann durch den Wald spazieren zu können. Wenn du die Freizeit hast, ist es ein Leichtes zu reisen. Deutschland und Europa generell bieten eine Kultur, die mir zusagt. Ein Teil von mir wird Deutscher, ich bekomme meinen deutschen Pass. Das mache ich ein bisschen für das Eishockey, aber vor allem für die Zeit nach der Karriere. Ich möchte hierbleiben. Meine Familie und ich freuen uns sehr darauf und wollen das so machen. Es ist nicht geplant, dass ich meine Karriere beende, wann auch immer das sein wird, und ich dann zurück nach Kanada ziehe. Der Plan ist es, hier zu bleiben. Es ist ein schöner Ort, wir fühlen uns sehr wohl hier.

-Es ist immer nett, Optionen zu haben. Wenn du mich fragst, ob ich mir vorstellen könnte, nach Kanada zu ziehen würde ich sagen: Ja, klar! Das wäre aufregend. Vielleicht ist es also gar nicht dieses: Das Gras ist immer grüner auf der anderen Seite. Sondern du hast zwei schöne Orte, die du zuhause nennen kannst. Bist du damals allein nach Deutschland gekommen, oder warst du verheiratet oder in einer Beziehung? Das wird ja wohl auch einen Unterschied machen.

-Ich bin nicht allein gekommen, aber jetzt in einer neuen Beziehung und habe nun einen Sohn. Meine Frau und ich leben hier in Deutschland mit meinen Sohn Siggi. Ich habe eine bezaubernde Tochter, die in Irland lebt. Das ist also auch relativ nah, um dort hinzureisen und sie ebenfalls zu sehen. Aber nein, ich war nicht allein, als ich ankam.

-Ich möchte dich nun gern zurück nach Nordamerika nehmen. Wir haben es bereits erwähnt, du spieltest lange Zeit in der AHL, mit starken Statistiken, wenn ich das hinzufügen darf. Du hast knapp 50 NHL-Spiele absolviert. Alle Fans wissen, das ist das ultimative Ding in der Eishockey-Welt. Kannst du ein Erlebnis teilen aus dieser Zeit, oder beispielsweise einen Spieler benennen, mit dem es toll war zusammenzuspielen. Was hast du für Bilder vor dir, wenn du an diese Zeit denkst?

-Ja, ehrlicherweise könnte ich hier sitzen und stundenlang Geschichten aus der Amerikanischen Liga (AHL) oder der NHL erzählen. Es gibt hunderte Spieler, gegen die ich angetreten bin, oder mit denen ich zusammengespielt habe, einige die Hall-Of-Fame-Spieler geworden sind. Einige dieser Erfahrungen, die ich sammeln durfte, fühlen sich manchmal an, wie aus einem anderen Leben. Das ist mein 18.Profijahr, die frühe Karrierephase fühlt sich heute an, als ob ich damals eine ganz andere Person war. Dann durfte ich ein Outdoor-Game spielen mit den Colorado Avalanche gegen Detroit. Die hatten ein All-Star-Line-Up und wir hatten Hall-Of-Fame-Spieler, wie Jerome Iginla in unserem Team. Das war cool. Ich war Teil vom Stanley-Cup Sieger Los Angeles, konnte die ganzen Feierlichkeiten miterleben und den Cup hochstemmen. Dann habe ich eine Meisterschaft in der AHL gewonnen. Aber ich habe fast 1100 Spiele gespielt, also ist die Anzahl an Geschichten und Erfahrungen, die ich habe, riesig. Ich schaue nicht oft auf sie zurück, aber es gibt Zeiten, vielleicht einmal im Jahr, oder wenn ich ab und zu Bilder aus der Zeit sehe, dann werden diese Erinnerungen wach und man denkt über seine Erfahrungen nach. Mittlerweile fühle ich mich aber wie ein anderer Mensch. Das war damals. Es ist etwas, dass ich mir nicht ständig vergegenwärtige, bis ich mich mal hinsetze und denke: Ja, das war schon ganz cool.

-„Ja, da war ich ein Teil davon!“

-Ja, was für eine tolle Reise. Ich bin aber so glücklich damit, wo ich jetzt gerade bin, und bin ohnehin niemand, der in der Vergangenheit lebt, auch wenn ich stolz darauf bin, was ich erreicht habe.

-Dann widmen wir uns der Gegenwart und deinem aktuellen Team, den Kassel Huskies. Es ist kein Geheimnis. Der Verein möchte wieder dahin, wo er „hingehört“. Sie sind ein Gründungsmitglied der DEL und wollen wieder dorthin. Aber eben nicht mit der Brechstange, es werden andere Wege eingeschlagen. Was braucht es, um diesen Schritt zu dieses Jahr zu gehen? Es sind sicher tausend Kleinigkeiten, aber wo liegt der große Unterschied zum Vorjahr?

-Ich denke, dass wir das bereits zu Beginn des Interviews angeschnitten haben. Wir müssen Konsistenz ins Spiel bringen, nicht zu viele extreme Höhen und Tiefen erleben. Aber auch unser Spiel auf eine stabile Ebene bringen, wo wir uns auch mit Ein-Tore-Spielen, oder „Low-Scoring-Games“ (Spiele mit wenigen Toren insgesamt), wohlfühlen. Aber ganz unverblümt: der Grund, warum ich nach Kassel gekommen bin, ist, wieder zurück in die DEL zu gelangen. Ich hatte andere Optionen, bevor ich hierherkam und habe jetzt ein neues Karriereziel. Ich setzte es mir zum Ziel, in der NHL zu spielen. Ich setzte es mir zum Ziel, Meisterschaften zu gewinnen. Und jetzt ist es ein Karriereziel, wieder in der DEL zu spielen. Ich sehe nicht, dass ich Deutschland verlasse. Ich bin glücklich in Kassel und würde es lieben, Kassel in der DEL zu sehen. Das ist einer der Gründe, warum ich hergekommen bin. Die Gefahr dabei ist, zu denken, man kommt nach Kassel und es ist eine einfache Nummer, in die DEL zu kommen. Und das ist eine Sache, die Spieler, die hierherkommen berücksichtigen müssen – du kommst hierher, um Teil des Erfolges zu sein, nicht nur, um zu gewinnen. Das ist eine wichtige Sache. Wie ich sagte – vertrau auf den Prozess. Ich mag es, wie unser Team sich entwickelt. Es wird Wachstumsschmerzen geben mit neuen Spielern, neuen Systemen. Aber ich bin zuversichtlich, dass das Team sich in die richtige Richtung entwickelt.

-Wir Fans fragen uns oft, ob die Spieler über Dinge reden, wie die Bedeutung des Sports/Erfolges in der Region und für die Stadt, für die Familien, die die Spiele besuchen. Ich kann dir nach 40 Jahren noch die Kaderliste erfolgreicher Kasseler Mannschaften aufsagen. Redet ihr über solche Dinge oder sorgt das für zu viel Druck auf die, mit ganz viel Respekt, neuen „Kids“, die hier herwechseln. Oder sagt man sich auch mal: Weißt du, wenn wir das Ding hier gewinnen, dieses Jahr, werden wir in der Region zu Legenden.

-Weißt du, das ist ein Thema, das aufkommt und über das ich mich auch schon unterhalten habe. Es sollte auch benannt werden, gefeiert werden. Das kommt aber später in der Saison. Es ist etwas, worüber ihr (Fans) jetzt reden könnt. Und für mich? Wie cool wäre das denn? Ich will nicht nur in der DEL spielen, sondern an diesem Punkt meiner Karriere will ich nicht nur spielen, um zu spielen, sondern ich will spielen, um coole Sachen zu erleben. Und was gebe es Cooleres für mich, als zu gewinnen und Teil eines Teams zu sein, das aufsteigt und dann Erfolg hat, wenn es aufgestiegen ist. Was die Fans betrifft – wir wissen, wie leidenschaftlich es hier zur Sache geht und wie hungrig die Fans auf diesen Erfolg sind. Damit entstehen teilweise Erwartungen, die schon auch in negativer Form ihren Weg in die Kabine finden können. Man macht manchmal die Erfahrung, wie letztes Jahr, als wir das Team auf Platz Eins waren, oder viele Punkte Vorsprung hat, dass sich ein Gefühl der Enttäuschung breitmachen kann, wenn Dinge nicht so gut laufen, wie das die Fanbase oder die Spieler erwarten. Einem Team, welches auf dem dritten oder vierten Platz steht und damit richtig zufrieden ist, gelingt es dann vielleicht eher diese Energie aufzubauen, eine Einheit zu formen und mitgerissen zu sein. Also kann ein Team, das aus dem Mittelfeld kommt und richtig zufrieden mit der Gruppe ist und einen großen Zusammenhalt hat richtig gefährlich werden. Im Gegensatz vielleicht zu einem Team, das auf Platz 1 vorneweg marschiert, aber sich herunterziehen lässt, weil die Erwartungen nicht erfüllt werden. Sie fangen an, nervös zu werden, vielleicht frustriert. Da müssen wir älteren Jungs drauf achten. Das ist kein Mangel an Respekt gegenüber den Fans oder deren Leidenschaft, aber als Familie aus Spielern und als Team müssen wir diese Themen eben manchmal in der Kabine lösen und uns auf den Plan konzentrieren und darauf, was wir kontrollieren können. Die Erwartungen dürfen den Ergebnissen nicht vorausgehen

-Verstehe. Ich denke die Enttäuschung nach dem verlorenen Finale ist normal. Es wäre traurig, wenn es nicht so wäre. Umso mehr habe mich gefreut, wie zahlreich die Fans am Ende der Saison erschienen sind, um „Auf Wiedersehen!“ zu sagen. Es waren bestimmt 600-700 Leute. Ich glaube, ich habe bis dahin noch nie eine Autogrammsession, die über zwei Stunden dauert, erlebt. Man spürt den Support. Du hast natürlich immer die zwei bis drei betrunkenen lauten Leute, die herumschreien, wenn es nicht läuft. Aber die breite Masse steht offensichtlich hinter der Idee, das nicht (zum dritten Mal) mit der Brechstange zu erzwingen und freuen sich zu sehen, dass ihr Spieler euch hier wohlfühlt und identifiziert. Ich weiß zumindest, dass meine Kollegen so denken.

-Am Ende des Tages ist es ja egal, ob du ein glücklicher Fan und unterstützend bist, oder nur herumschreist und meckerst. Beide haben den gleichen Preis für ihr Ticket bezahlt und haben die Option zu entscheiden, welche Art sie wählen. Es liegt aber an uns, zu entscheiden, wie wir mit beidem umgehen, Unterstützung oder Störungen. Ich weiß, dass ich letztes Jahr bitter enttäuscht war und es dauerte, bis ich darüber hinweg war. Und ein paar Jungs ist das nun schon einige Male passiert. Wie gesagt, wir haben mit Todd eine frische Stimme und neue Gesichter im Coaching-Staff. Es ist wichtig, die schlechten Erinnerungen aus der Kabine zu halten. Vergangenes ist vergangen. Und jede Saison ist ein Roulette-Spiel. Nur weil die Kugel einmal auf Rot gelandet ist, bedeutet das nicht, dass die Chance nun größer ist, dass sie wieder auf Rot landet. Es ist ein neues Jahr und jedes Spiel ist ein neues Spiel und man muss dafür sorgen, dass die Leute ihre Konzentration darauf lenken. Wir haben dabei jede Menge Unterstützung. Seien es Mentaltrainer oder Atemübungs-Trainer. Wir haben dieses Jahr eine Menge coole Möglichkeiten die Jungs im Hier und Jetzt zu halten. Gerade auch, wenn negative Gefühle aufkommen, wenn bekannte Situationen aus den vergangenen Jahren auftreten, können wir das schnell bearbeiten.

-Würdest du sagen, dass es auf diesem Level im Profisport vielleicht im letzten Schritt eher ein mentaler Faktor ist, als wer der schnellste oder stärkste ist?

- Ich denke, es spielt eine unfassbar große Rolle, die bei vielen Leuten nicht die entsprechende Anerkennung findet. Es kommt dabei auf die individuelle, aber auch auf die Mentalität des Teams an. Hier muss man auch einfach Respekt an das Regensburger Team der letzten Saison aussprechen: Wir haben mit einigen Spielern darüber geredet und müssen einfach festhalten, wir wurden von einem TEAM geschlagen. In Kassel haben wir teilweise auf „unserem“ Niveau gespielt, teilweise aber auch nicht. Am Ende des Tages wurden wir aber von einem Team geschlagen, was eben besser gespielt hat. Ich denke, es braucht kein Eishockeygenie, um „aufs Papier“ zu schauen und zu sagen, unser Kader hätte gewinnen müssen. Ich denke, wir wissen das und ich denke, es kann auch einen guten Lerneffekt für unsere Mannschaft haben oder auch genau in die andere Richtung (im negativen Sinne) ausschlagen. Wir konnten aber schon viele der Jungs wachsen sehen, als Menschen, aber auch als Profis und Spieler – wir hoffen, dass sich das am Ende auszahlt. Hierfür müssen wir einfach nur in die Geschichte schauen: Viele NHL-Teams haben das Finale ein- oder zweimal erreicht, so gesehen, was es braucht, um zu gewinnen. Wir hoffen, dass es einen Lerneffekt auf uns hatte und wir irgendwann darauf zurückblicken und realisieren, dass es so passieren musste, um schließlich unser ultimatives Ziel zu erreichen. Die Zeit wird es zeigen…

- Ich hoffe, dass sich all das für euer Team bald auszahlt und ich danke dir für das klasse Interview und wünsche dir das Allerbeste und noch einen schönen Tag.

- Dankeschön!

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